Pfingsten
Pfingsten
geschrieben von Falk Neefken 22.05.2012
letzte Bearbeitung 31.01.2018
Pfingsten, soll ein Kind gesagt haben, ist doch das langweiligste Fest, das es überhaupt gibt. Da kommt keiner und da gibt's nichts. Weihnachten kommt das Christkind und der Weihnachtsmann, Ostern der Osterhase – und da kriegt man was geschenkt. Aber Pfingsten kommt keiner, und da kriegt man nichts.
Eine Anekdote, sicherlich, aber doch treffend. Die Volksfrömmigkeit hat bei Pfingsten eine Leerstelle hinterlassen. Dort, wo andere Feste mit liebevollen Symbolen ausgestattet sind, dort steht neben dem Pfingstochsen und den Pfingstrosen nur das karge Rätselwort vom Heiligen Geist. Und das hat Folgen. Mehr als die Hälfte der Kirchenmitglieder kann heute mit Pfingsten nichts anfangen, genießt höchstens das verlängerte Wochenende. Die Kirche hat über die Jahrhunderte hinweg dazu beigetragen. Kirchenjahreszeiten dauern in der Regel mehrere Wochen: Sieben Wochen die Passions-, sieben Wochen die Osterzeit, etwa sieben Wochen auch die Weihnachts- und Epiphaniaszeit, sogar drei, manchmal gar vier Wochen der Advent – für Pfingsten aber ist im evangelischen Kirchenjahr nur eine Woche vorgesehen, letztlich aber nur die zwei Feiertage, wobei der Pfingstmontag schon unter „ferner liefen" rangiert. Und in der katholischen Kirche endet mit Pfingsten die österliche Festzeit, die seit dem 4. Jahrhundert übliche Pfingstoktav wurde mit der letzten Kalenderreform wieder abgeschafft. – Zudem: Die Farbe Rot für Pfingsten kommt im Kirchenjahr kaum vor.
Rot steht für Energie, für Kraft, für Macht. Den purpurnen Mantel trug wegen der enormen Kosten dieser Einfärbung meist nur der Kaiser. Im Purpur der katholischen Kardinäle drückt sich entsprechend ein Machtanspruch von Kirche aus.
Rot ist die Farbe von Feuer und Blut. Es steht für das Leben, aber auch für den Tod. Feuer hingegen reinigt, härtet nicht nur Eisen, sondern lässt auch Edelmetall, Gold gewinnen. Scheiterhaufen, so schrecklich und verwerflich sie sind, sollten eben auch die Seelen reinigen und läutern – so die Einbildung.
Rot steht also für verändernde Kraft, für lebensschaffende Energie. Die Kirchenjahresfarbe für Pfingsten ist gerade deshalb Rot. Und es fragt sich, warum Rot nur knapp sieben Tage in unseren Kirchen geduldet wird, von Pfingstsonntag bis zum darauf folgenden Samstag. Zeigt sich da vielleicht eine Ängstlichkeit der Amtskirche vor der Macht der Veränderung, die mit dem Geist von Pfingsten durch die Menschen und damit die Kirchen fegen könnte? Eine Furcht der Institution vor der Initiative?
Kirchen tun sich schwer mit Veränderungen, da sind sie nicht anders als Gesellschaften. Man richtet sich ein, arrangiert sich mit den Umständen. Zwar deklamieren Kirchen regelmäßig, dass die Kirche immer zu reformieren sei, so auch auf dem Katholikentag 2012 – und verharren doch, bleiben oft genug flügellahm.
„Abgeschnitten war ihnen nichts als die Hoffnung" (Erich Fried) müsste es von den Jüngern in der Pfingstgeschichte heißen (Apostelgeschichte 2), doch ihre Gemüter und sogar ihre Beine wurden bewegt. Es trieb sie auf die Straße, hin zu den Leuten. Ein neuer Geist wehte durch ihr Hirn, durch ihren Kopf und ihr Herz, durch ihre Gemeinschaft, ja letztlich in die weite Welt hinein. Ein Heiliger Geist Gottes, wie Christen behaupten, weil es ein schöpferischer, ein kreativer Geist ist.
Um diesen Heiligen Geist geht es Pfingsten, den Geist, der Hoffnung schenkt, dass wir auffahren mit Flügeln wie Adler (Jes 40,31).
Von daher ist es nicht von ungefähr, dass 1971 über Pfingsten ein erster gemeinsamer Kirchentag von evangelischen und römisch-katholischen Christen in Augsburg stattfand, das fast schon legendäre Ökumenische Pfingsttreffen. Mehr als drei Jahrzehnte sollte es dauern, bis 2003 der 1. Ökumenische Kirchentag mit über 200.000 Besucherinnen und Besuchern in Berlin stattfand.
Auch in Meerbusch wird Pfingsten ökumenisch begangen. Seit Jahren feiern evangelische und katholische Christen in Osterath am Pfíngstmontag gemeinsam Gottesdienst, über viele Jahre trafen sich die Leitungsgremien beider Gemeinden am Pfingstdienstag. In Strümp und Ossum-Bösinghoven gibt es ein ökumenisches Drei-Gemeinden-Fest.
In Büderich wird Pfingsten insofern ökumenisch begangen, als viele Protestanten am Schützenfest teilnehmen, das über Pfingsten begangen wird.
„Pfingsten zu erklären, schafft nie einer" schreibt Josef Joffe in der ZEIT (Nr. 12 / 2012 S. 12). Doch ganz offensichtlich ist Pfingsten nach christlichem Verständnis eben doch viel mehr als „nichts", motiviert es doch mehr als alle Ostereier und Weihnachtsgeschenke zur Ökumene. Deshalb beten Christen seit alters her: Veni, creator spiritus. Komm, Schöpfer Geist!